Laut einer „Liste der jüdischen Geschäfte in Verden“ vom 06.11.1936 (s. Clara Baumgarten) gehörte der Viehhandelsbetrieb seinem Vater Adolf Magnus. Im „Verzeichnis der jüdischen Gewerbebetriebe in Verden (Aller)“ vom 15.08.1938 jedoch wurde nur noch ein einziger von fünf Viehhandelsbetrieben im Jahre 1936 aufgeführt. Listen, immer wieder Listen waren die bürokratische Grundlage des industrialisierten Massenmords an den europäischen Juden. Bezeichnend dafür ist ein Schreiben der Landeskriminalpolizeistelle Hamburg-Wilhelmsburg vom 01.10.1935, in dem die Gemeinden aufgefordert wurden, „ein Verzeichnis in dreifacher Ausfertigung“ zu erstellen und einzusenden: „Frist: 15.10.1935.“ Die in Verden am 16.10.1935 erstellte Liste war jedoch unvollständig. Der Name Berthold Magnus z.B. fehlte. Es wurde eine neue Liste angefordert, die dann erst ca. acht Wochen später fein säuberlich mit der Hand geschrieben vorlag und abgeschickt werden konnte. Die systematische Erfassung der jüdischen Bevölkerung war wenige Monate vor dem Beginn der Olympischen Spiele in Garmisch-Partenkirchen und in Berlin 1936 als sog. legale und der Öffentlichkeit verborgene Erfassungsmethode eingeführt worden. „Wilde Einzelaktionen gegen Juden“ und v.a. ausländische Proteste hätten die Durchführung der Spiele gefährden können.
Das heißt aber nicht, dass die Schikanen gänzlich eingestellt worden wären. Beim Viehhandel ging es manchmal ziemlich derb zu. Man war aufeinander angewiesen. Die jüdischen Viehhändler organisierten den Zwischenhandel, auch von Bauer zu Bauer. Man duzte sich. Bürgerliche Etikette spielte eine untergeordnete Rolle. Jüdischen Viehhändlern, „die einen deutschen Bauern oder deren erwachsene Kinder mit ‚Du’ anreden“, wurde angedroht, „sie wegen groben Unfugs in Strafe“ zu nehmen. Ein beredtes Zeugnis der konsequent verfolgten Ausgrenzungspolitik und der Degradierung des jüdischen Menschen! Die NS-Propaganda hatte es besonders auf die jüdischen Viehhändler abgesehen. Bauern wurden als „Judenknechte“ denunziert. Dennoch hielten viele Bauern an ihren traditionellen Kontakten so lange fest, bis es wegen des Berufsverbots nicht mehr ging. Vorbereitet wurde es am 25.01.1937 auf dem Verordnungswege. Laut „VO über den Handel mit Vieh“ vom 25.01.1937 war die Zulassung zum Viehhandel von „sachlichen Voraussetzungen und persönlicher Zuverlässigkeit abhängig.“ Aufgrund dieser Verordnung widerrief der Viehwirtschaftsverband Hannover am 13.12.1937 Berthold Magnus’ „Zulassung zum Handel mit Vieh“ (s. Harry Herzberg). Einsprüche wurden zwar vom „Schiedsgericht für die landwirtschaftliche Marktregelung“ in Hannover und auch von der Berufungsinstanz, dem Oberschiedsgericht in Berlin, bearbeitet, blieben aber letztendlich erfolglos. Die Legitimationskarten wurden Ende Juli 1938 eingezogen (s. Adolf Rosenbach). Herschel Grünspans Verzweifelungstat fiel laut israelischem Historiker Gideon Greif dann „den Nazis wie eine reife Frucht in den Schoß, da die antijüdischen Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt einen toten Punkt erreicht hatten.“ Das Attentat am 07.11.1938 in Paris auf den Legationssekretär Ernst vom Rath sei für die braunen Machthaber endlich das langersehnte Signal gewesen, den Auswanderungsdruck nochmals zu verstärken. „Ab 1938 war die jüdische Bevölkerung endgültig vogelfrei.“ In der Pogromnacht vom 9. auf den 10.11.1938 wurden die männlichen Mitglieder der Verdener Synagogengemeinde auf der Grundlage von Erlassen vom 12. und 26.04.1934 verhaftet, darunter auch Berthold Magnus. Für die „Inschutzhaftnahmen“ am frühen Morgen des 10.11.1938 war die Gestapo zuständig. Ein Haftgrund ließ sich aufgrund des propagandistisch geschürten „Volkszorns“ leicht finden, nämlich „a) zum eigenen Schutz des Häftlings“. Berthold Magnus wurde erst am 28.11.1938 entlassen. Am 03.12.1938 wurde die „Entziehung der Führerscheine und Zulassungspapiere der Juden“ angeordnet. Unter den fünf Verdenern, die am 18.03.1939 im Rathaus ihren Führerschein abgaben, war auch Berthold Magnus (s. Arnold Baumgarten). Ohne reguläre Verdienstmöglichkeiten vor Ort verzogen sein Vater am 14.03.1939 nach Hamburg und seine Schwester Erna am 25.03.1939 nach Bielefeld.
Berthold Magnus blieb als einziger Familienangehöriger in Verden zurück, ausgeschlossen vom normalen Alltag und vollends eingeschränkt in seiner Mobilität durch die „Sicherstellung“ seines Fahrrades am 28.03.1941 (s. Martin Spanier). Praktisch mittellos wurde Berthold Magnus am 06.03.1940 in das „Judenhaus“ Holzmarkt 5 (s. Luise Baumgarten) eingewiesen. „Jude wurde zu Jude gesteckt.“ Aber er war ja arbeitsfähig! Da der Staat kein Interesse daran habe, so der Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, „die Arbeitskraft von Juden ungenutzt zu lassen und diese u.U. aus öffentlichen Mitteln ohne Gegenleistung zu unterstützen“, wurde schon am jeweiligen Wohnort mit der Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft zu einem Hungerlohn begonnen: „Es ist anzustreben, alle arbeitslosen und einsatzfähigen Juden beschleunigt zu beschäftigen und damit die Freistellung deutscher Arbeitskräfte für vordringliche staatspolitisch wichtige Vorhaben zu verbinden.“ Am 26.09.1941 teilte das Arbeitsamt auf Anfrage dem Bürgermeister Verdens als Ortspolizeibehörde mit, dass der „Jude Berthold Magnus (…) als Kohlenarbeiter bei der Firma Dietrich Oelfken, Verden“ eingesetzt worden sei.
Berthold Magnus wurde zusammen mit 20 Verdenerinnen und Verdenern am 17.11.1941 nach Bremen und von dort aus am folgenden Tage nach Minsk deportiert, wo er ermordet wurde, spätestens während der Massenexekutionen in den Kiesgruben bei Minsk am 28. und 29.07.1942. „Die Aktion begann am Morgen des 28. Juli 1942,“ heißt es im Urteil des Landgerichts Koblenz gegen mehrere NS-Verbrecher aus dem Ghetto Minsk, „als die zahlreichen Arbeitskommandos bereits ausgerückt waren (s. Martin Spanier). „Die Todgeweihten konnten in der Regel schon auf größere Entfernung die Schüsse hören und hieran erkennen, dass eine Massenexekution im Gang war, als deren Opfer sie auch vorgesehen waren. Spätestens beim Anblick der Grube und der darin liegenden Leichen wurde ihnen (…) klar, was auch ihnen bevorstand. Manche fluchten, schrien und weinten, andere flehten um ihr Leben; die meisten ergaben sich jedoch gefasst und ohne Wehklagen in ihr Schicksal.“