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Veranstaltung

»Jüdisches Leben in Rotenburg im 20. Jahrhundert«

Do. 9. September 2021 um 18 Uhr

Historisches Museum Domherrenhaus

Eintritt: kostenlos

Wir möchten Sie hiermit zu unserer Veranstaltung im Historischen Museum Domherrenhaus am 9. September einladen.

Die Referentin, Prof. Dr. Inge Hansen-Schaberg, war Privatdozentin am Institut für Erziehungswissenschaft der TU Berlin und wurde 2003 zur außerplanmäßige Professorin ernannt. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Pädagogik im 20. Jahrhundert, Mädchenbildung und Koedukation, pädagogische Biographien und Kindheit, Jugend und Schule im Exil. Zudem ist sie die Vorsitzende des Fördervereins Cohn-Scheune e.V. – Jüdisches Museum und Kulturwerkstatt. Prof. Dr. Inge Hansen-Schaberg berichtet Ihnen u.a. über die Rotenburger Familie Cohn – Namensgeberin des kleinen jüdischen Museums in Rotenburg. In der NS-Zeit endete die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Rotenburg.

Seit 1803 wurde Rotenburg ein Zentrum der jüdischen Ansiedlung in der Region mit eigenen Strukturen. Die jüdische Gemeinde im Altkreis Rotenburg war von überregionaler Bedeutung für den norddeutschen Raum. Sie erlebte ihre Blütezeit zwischen 1810 und 1850. Am Beispiel der über sieben Generationen in Rotenburg ansässigen Familie Cohn lassen sich die von Emanzipation bis zur Entrechtung reichenden Veränderungen nachverfolgen. Die Eigentümer eines Bekleidungsgeschäftes waren in das Leben der Stadt integriert und übten Ämter in bürgerlichen Vereinen aus. Mit dem Umzug der letzten Familienmitglieder nach Berlin und ihrer Deportation in der NS-Zeit endet diese Geschichte. Ein bleibender Erinnerungsort ist das Museum und Kulturzentrum Cohn-Scheune.

Referentin: Prof. Dr. Inge Hansen-Schaberg, Vorsitzende des Fördervereins Cohn-Scheune e.V. (Rotenburg/Wümme)

© Fotos: Privatbesitz Erben Hildegard Jacobsohn, geb. Cohn

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Die Geschichte der Familie Cohn im niedersächsischen Rotenburg begann bereits Mitte des 18. Jahrhunderts. In den nächsten Generationen gelang es der Familie, in der Stadt einen Textilhandel aufzubauen. Im Jahre 1861 erbte David Isaac Cohn das Grundstück Große Straße 32, auf dem seine Nachfahren bis 1934 lebten. Hermann und Gertrud Cohn, deren Porträt im Eingang des Museums hängt, übernahmen 1922 das Bekleidungsgeschäft und konnten es zu einem überregional bekannten Textilhaus ausbauen. Die Cohns hatten die Generalvertretung der damals berühmten deutschen Bekleidungsfirma BLEYLE für die Region.

Wegen der judenfeindlichen Politik der Nationalsozialisten ging Hermann Cohn 1934 in Konkurs, und sein Wohn- und Geschäftshaus wurde zwangsversteigert. Er musste mit seiner Familie ausziehen und wohnte dann bis 1939 in einem Haus in der Werkstraße. Als auch das Wandergewerbe für Juden verboten worden war, flüchteten Gertrud und Hermann Cohn Rotenburg Anfang Juni 1939 nach Berlin, wo sein älterer Bruder Sigmund Cohn wohnte. Hermann und Gertrud Cohn wurden mit Beginn des Zweiten Weltkriegs zu Zwangsarbeit verpflichtet. Gertrud Cohn arbeitete bei Siemens & Halske, Hermann Cohn bei den Stadtwerken Berlin. Sie wurden am 1. März 1943 bzw. am 3. März nach Auschwitz deportiert. Ob sie bereits auf dem Transport starben, im Lager oder in den Gaskammern von Auschwitz ermordet wurden, ist unbekannt.

Die beiden Töchter von Hermann und Gertrud Cohn überlebten den Holocaust. Die ältere Tochter, Erna, geboren 1914, emigrierte 1938 mit ihrem Ehemann Julius Appel nach Kolumbien. Hildegard Cohn, Jahrgang 1919, verließ Rotenburg 1935, fand in Stolzenau und Warendorf eine Anstellung als Hausmädchen und konnte im März 1939 nach England flüchten und dort als Hausangestellte arbeiten. Nachdem sie 1948 mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern nach Deutschland zurückgekehrt war, lebte sie inBerlin. Am 10. Januar 2021 verstarb Hildegard Jacobsohn geb. Cohn im 102. Lebensjahr in Dresden.

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Inge Hansen-Schaberg, Prof. Dr. phil., 1954 in Flensburg geboren, war an der TU Berlin und der Universität Göttingen für das Fach „Erziehungswissenschaft mit besonderer Berücksichtigung der Historischen Pädagogik“ tätig. Arbeitsschwerpunkte: Reformpädagogik, Biografieforschung, Exilforschung. Seit 2013 Vorsitzende der Gesellschaft für Exilforschung e. V., seit 2016 Vorsitzende des Fördervereins Cohn-Scheune e. V.

Publikationen (Auswahl):

  1. Monographien:
    Minna Specht – Eine Sozialistin in der Landerziehungsheimbewegung (1918 bis 1951). Untersuchung zur pädagogischen Biographie einer Reformpädagogin. Frankfurt a.M. 1992. Koedukation und Reformpädagogik. Untersuchung zur Unterrichts- und Erziehungsrealität in Berliner Versuchsschulen der Weimarer Republik. Berlin 1999.
  2. Herausgeberische Tätigkeit:
    Frauen und Exil (Hrsg.): 11 Bände. München 2008-2018.
    Reformpädagogische Schulkonzepte: 6 Bände. Baltmannsweiler 2012.
    Ernst Papanek: Pädagogische und therapeutische Arbeit. Kinder mit Verfolgungs-, Flucht- und Exilerfahrungen während der NS-Zeit. Wien 2015.
    Lisa Seiden: „Bleib immer mit deinem Bruder zusammen!“ Eine Geschichte vom Kindertransport. Berlin 2018.
    Weitererzählen. Die Cohn-Scheune – Jüdisches Museum und Kulturwerkstatt. Leipzig 2021.