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Piepenbrink 17

Ferdinand Hartje

Ferdinand Hartje (Jg. 1892) zog 1930 von Hameln nach Verden in eine Wohnbaracke für Sozialhilfeempfänger. In der Meldekarte steht als Beruf »Händler«. Innerhalb von Verden zog er mehrmals um. 1925 saß er für drei Wochen wegen Diebstahls im Landgerichtsgefängnis Verden. Vier Jahre später erfolgte für vier Tage die Inhaftierung wegen »Übertretung«. Die nächste Einlieferung war am 3.12.1938. Die Haftstrafe belief sich auf sechs Jahre Zuchthaus mit anschließender Sicherungsverwahrung.

Am 22.03.1939 wurde er ins Zuchthaus nach Celle überführt, und von dort ins KZ Sachsenhausen. In der Gedenkstätte wird er als »§ 175-Opfer« (Homosexueller) geführt. Am 20.03.1943 verstarb er mit 50 Jahren an »Lungenentzündung, Grundleiden: Doppelseitige Lungentuberkulose«. Mit Fritz Hartje (Stolperstein daneben) war er nicht verwandt.

Meldekarte

Ferdinand Hartje wurde am 15.11.1892 in Helstorf, Kreis Neustadt am Rübenberge geboren. Im Jahre 1943 lebten seine Eltern, Fritz und Dina Hartje, in Celle. Mit 38 Jahren kam er im Oktober 1930 von Hameln nach Verden in den Brunnenweg 66a. Dort befanden sich eine Wohn- und Sanitärbaracke, in denen Sozialhilfeempfänger wohnten.[1] In der Meldekarte wurde als Beruf „Händler“ eingetragen. Er zog innerhalb von Verden mehrmals um. Ab Dezember 1935 wohnte er im Piepenbrink 17a., dem letzten Wohnort vor seiner Verhaftung und der Einlieferung in das KZ Sachsenhausen.

Interessant ist, dass im Einwohnerverzeichnis von 1934 mehrere Personen mit dem Familiennamen Hartje aufgeführt sind, die vermutlich mit ihm verwandt waren:

  • Fritz, Händler, Piepenbrink 17
  • Fritz, Händler, Brunnenweg 66a
  • Ida, Händlerin, Piepenbrink 17
  • Heinrich, Arbeiter, Piepenbrink 17a

[1] Vgl. Lage der Notunterkünfte in: Woock, Joachim: „daß diese braunen Pußtasöhne…“ Die Verfolgung der Sinti und Roma im Landkreis Verden in der NS-Zeit, in: Landkreis Verden (Hrsg.): Heimatkalender für den Landkreis Verden 2007, Verden 2006, S. 229-245, S. 240.

Totenschein

Aus der Meldekarte des Händlers Fritz Hartje, der seit 1925 im Piepenbrink 17 wohnte,  geht hervor, dass er am 18.09.1900 in Walsrode geboren und verheiratet war. Es kann sich bei ihm daher nicht um den Vater von Ferdinand handeln. Am 13.07.1939 wurde er im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen erkennungsdienstlich behandelt („Verstoß gegen das Heimtückegesetz“). Er wurde Soldat und kehrte 1946 in seine Wohnung zurück („zugezogen von Wehrmacht“).

Aus den Gefangenenbüchern des Landgerichtsgefängnisses Verden geht hervor, dass Ferdinand Hartje am 25.08.1925 wegen Diebstahls eingeliefert und am 18.09.1925 entlassen worden war. Vier Jahre später (14.10.1929) wurde er wieder eingeliefert, diesmal wegen „Übertretung“. Die Entlassung erfolgte vier Tage später. Die nächste und bis 1945 letzte Einlieferung war am 3.12.1938. Er wurde am 22.03.1939 ins Zuchthaus Celle überführt. Auf seiner Meldekarte wurde vermerkt: „März 1939 zur Strafverbüßung 6 Jahre Zuchthaus nach Celle überführt daran anschließend Sicherungsverwahrung.“

Um Kritik an der NS-Führung und ihren Organisationen zu unterbinden, erließ die Regierung am 21.03.1933 die „Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung“.

Dann verliert sich seine Spur. Er ist offensichtlich später auf Grund seiner Homosexualität verhaftet und in das KZ Sachsenhausen eingeliefert worden. In der Gedenkstätte Sachsenhausen wird er als „§ 175-Opfer“ geführt. Aus dem Sterbebuch geht hervor, dass er am 20.03.1943 mit 50 Jahren an „Lungenentzündung beim Grundleiden Lungentuberkulose“ verstarb.

Im Juni 1935 wurde der § 175 StGB, der sich gegen homosexuelle Handlungen richtete), um den Zusatz § 175a „Schwere Unzucht zwischen Männern“, der Zuchthaus bis zu zehn Jahren vorsah, verschärft.

Quellen:

  • Stadt Verden, Meldekartei (alt) Stadt Verden
  • Niedersächsisches Landesarchiv, Staatsarchiv Stade, Rep. 86 Verden Nr. 5, Nr. 6, Nr. 16 (Gefangenenbücher Landgerichtsgefängnis Verden)
  • Privatarchiv Rainer Hoffschildt, Hannover
  • Sonderstandesamt Arolsen, Abt. Sachsenhausen, Sterbeerstbuch
  • Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam, Sterbeerstbuch, Pr.Br.Rep.35 H
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