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Große Straße 30

Ernst Probst

Ernst Karl Probst (*24.02.1896 in Hessberg, Kreis Hildburghausen / Thüringen) war verheiratet und zunächst Arbeiter bei der Firma Held und Franke in Verden. Danach war er bei der Baufirma Christian Corleis beschäftigt. Er war aktives Parteimitglied der KPD und stand unter Beobachtung der Gestapo. Auf seiner Meldekarte beim Einwohnermeldeamt wurde vermerkt: „Bei Umzug Nachricht an Stapo“.

Am 19. Juli 1933 wurde im „Verdener Anzeigenblatt“ die Verhaftung von Probst bekannt gemacht: „(Schutzhaft.) Der Einwohner Probst wurde in Schutzhaft genommen, da er sein loses Mundwerk nicht im Zaume hatte halten können.“ Wie lange die Haft dauerte, konnte nicht ermittelt werden. Aber zusammen mit Adolf Wittig (s. Stolperstein) wurde er am 7.01.1938 von der Gestapo wieder festgenommen und im Landgerichtsgefängnis inhaftiert. Die Anklage vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg lautete: Vorbereitung zum Hochverrat. Am 12.03.38 wurden aber beide freigesprochen und am 28.03.38 entlassen. Doch die Freiheit währte nicht lange. Vier Tage später, am 1. April 1938, wurden Probst und Wittig erneut von der Gestapo verhaftet. Der Schutzhaftbefehl war bereits am 25.03.38 in Berlin vom Geheimen Staatspolizeiamt ausgestellt worden. Beide wurden am 6. April 1938 in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert, wo am 9.04.38 ihre Einlieferung notiert wurde (Häftlingsnummer 001676, Häftlingsblock 42). Nach zwei Jahren, am 20.04.1940, wurde Probst entlassen und meldete sich zwei Tage später wieder in Verden an. Im September 1941 wurde Probst wiederum auf Grund einer Denunziation inhaftiert und vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht ein zweites Verfahren gegen ihn eröffnet. Der Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Grantz aus Verden übernahm die Verteidigung. Nach neun Monaten Untersuchungshaft gelang es ihm, einen Freispruch zu erreichen, allerdings nur begrenzt, denn Probst wurde der Gestapo zur Verfügung gestellt (so genannte „Rücküberstellung“). Es bestand daher die Gefahr, dass er erneut in ein KZ oder eine Strafkompanie überführt werden würde. Dr. Grantz alarmierte den Arbeitsgeber von Probst, Christian Corleis, und beide konnten sich für die vollständige Freilassung von Probst einsetzen.

Dr. Grantz wurde nach dem Krieg wegen seiner Parteizugehörigkeit und als Mitarbeiter des „Sicherheitsdienstes der SS“ (SD) inhaftiert und vor dem Spruchgericht Benefeld-Bomlitz angeklagt. Das Gericht fragte bei der Kreisvereinigung der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) in Verden an, ob es Zeugen gäbe, die den Rechtsanwalt entlasten könnten. Christian Corleis gab zu Protokoll: „1941 habe ich durch seine [gemeint ist Dr. Grantz, d. V.] intensive Mithilfe einen Kameraden [gemeint ist Probst, d. V.], dessen Offizialverteidiger er war und den er im Termin frei, jedoch zur Verfuegung der Gestapo, bekam, – vor dem KZ-Lager bewahren können. Dieser Kamerad war erst vor Monate vorher aus Sachsenhausen zurueckgekommen, ihm drohte nunmehr Strafkompanie.“

Die 1. Vorsitzende der VVN-Verden, Berta Schäfer, teilte dem Spruchgericht weiterhin mit: „Es ist  nicht bekannt, dass G. sich an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt hat, der Termin Probst und vieles andere bewies, dass er sich in seinem Rechtsempfinden nicht von der Gestapo beeinflussen liess. Nachdem G. durch das Arbeitsamt 1943 Totalkriegsverpflichtung fuer den SD Bremen bekam, wurde auch sein Rechtsanwaltbuero fuer diesen Zweck beschlagnahmt. Dort fanden wöchentlich 1 mal Zusammenkuenfte von Handel und Industrie und Handwerk statt, um durch diese Vertreter die allgemeine Stimmung des Volkes kennen zu lernen. Es ist von diesen Herrn immer wieder versichert worden, dass G. niemals auf Namensnennung Wert legte.“ Im Schreiben vom 24.03.1947 stellte Frau Schäfer einige Fragen an Dr. Grantz: „Was mich nun als KZ-Betreuerin und Vorsitzende der VVN des Kreises Verden interessiert, ist das Folgende: Den Denunzianten Röver entlarvten Sie als solchen bei der Gerichtsverhandlung, doch er streitet heute ab und will nur den Wachtmeister Binne gebeten haben, Probst zu warnen. Können Sie sich des Vorgangs erinnern? Wer machte Meldung bei der Gestapo? Warum erhielt der Denunziant eine Geldstrafe? Es geht um das Prinzip, den tatsächlich Schuldigen zu finden und Sie werden mir dabei – soweit ich Sie als aufrichtigen Mann kennenlernte – Ihre Mithilfe nicht versagen.“

Probst muss nach dem Prozess zur Wehrmacht eingezogen worden sein, da er am 11.06.1945 aus englischer Gefangenschaft entlassen wurde. Herr Wittig jun. beschreibt ihn nach 1945 so: „Er war ungefähr 1.60 m groß, trug immer ´Knobelbecher´ und schwarze Joppe und Hose.“

Im Jahre 1958 zog Probst nach Hohenaverbergen und verstarb mit 73 Jahren in Verden.

Quellen:

  • Stadt Verden, Meldekartei (alt) Stadt Verden
  • Stadt Verden, Stadtarchiv, Microfilm-Nr. 54 (Verdener Anzeigenblatt vom 19.07.1933)
  • Bundesarchiv Koblenz, Z 42, II/2211 (Spruchkammerverfahren gegen Dr. Wilhelm August Grantz)
  • Niedersächsisches Landesarchiv, Staatsarchiv Stade, Rep. 86 Verden Nr. 17 (Gefangenenbuch Landgerichtsgefängnis Verden)
  • Gedenkstätte Sachsenhausen, D 1 A/1021, Bl. 196 (Provenienz des Originals: Russisches Staatliches Militärarchiv, Moskau)
  • Staatsarchiv Freie und Hansestadt Hamburg, Hanseatischs Oberlandesgericht, Namenskartei, OJs 9/38, OJs 48/41
  • Interview Adolf Wittig jun.
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