Clara und Paul Baumgarten hatten keine andere Wahl, als ihre Auswanderung nun konkret zu betreiben. Darüber wurde am 24.01.1939 mit Paul Baumgarten und am 26.01.1939 mit Clara Baumgarten vor der Ortspolizeibehörde (=Bürgermeister) Verden „verhandelt“. Obwohl die Staatspolizeidienststelle in Wesermünde, die Zollfahndungsstelle in Bremen, der Gemeindevorstand in Verden, die Reichsbankanstalt in Bremen, der Oberfinanzpräsident (Devisenstelle) in Bremen und der Oberfinanzpräsident Berlin (Zentrale Nachrichtenstelle) und auch die NSDAP-Kreisleitung keine Bedenken gegen eine Auswanderung nach England hatten, ist es nicht mehr zur Auswanderung gekommen.
Ohne wirtschaftliche Existenzsicherung und eingewiesen (am 01.04.1939) in das zum sog. „Judenhaus“ deklarierte Wohnhaus Holzmarkt 5 (s. Luise Baumgarten) entschlossen sich Clara und Paul Baumgarten unter dem Druck der Verhältnisse zum Umzug nach Bremen. Dort meldeten sie sich am 02.07.1939 in der Utbremer Straße 184b an. In Bremen wurde Paul Baumgarten als „Arbeiter“ geführt. Die Zeitzeugin Meta Cordes erinnert sich an eine aufschlussreiche Begegnung. Sie sei einmal mit ihrer Großmutter nach Bremen gefahren. In Bahnhofsnähe habe diese ihren ehemaligen Nachbarn gesehen. Ob schon mit
„Judenstern“ oder noch ohne, wusste Meta Cordes nicht mehr genau. „Das ist doch der Paul Baumgarten“, habe sie gerufen. Paul Baumgarten kalkte unter allerdings nicht uniformierter Aufsicht gerade den Kantstein. Begrüßen durften sie ihn nicht. Sie wurden weggeschickt. Als „Tag des Auszugs“ wurde mit der Bemerkung „evakuiert“ schon der 15.11.1941 auf der Meldekarte notiert. Seit Tagen schon waren die jeweiligen Dienststellen der Partei, der Verwaltung, der Polizei und der Reichsbahn mit den Vorbereitungen (Logistik) für die Deportation am 18.11.1941 beschäftigt. Als Koordinierungsstelle fungierte eine extra eingerichtete Gruppe „Sonderzüge“. Die Fahrtkosten mussten die Deportierten selbst aufbringen: für Kinder unter vier Jahren einen und für alle anderen zwei Pfennige pro Schienenkilometer4.
Nach ca. dreitägiger Fahrt5 kam der Deportationszug aus Hamburg und Bremen in Minsk an. Der jüdische Transportleiter Dr. Franck aus Hamburg, mit „dreckiger Jude“ beschimpft und zusammengeschlagen, meldete dem befehlshabenden SS-Offizier die Ankunft von über 900 Männern, Frauen und Kindern. Wie viele Menschen den Transport nicht überlebten, ist nicht bekannt. Die traurige Gewissheit ist jedoch die, dass in dem Moment, in dem Opferzahlen genannt wurden, sie schon
nicht mehr stimmten. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass nur wenige Deportierte überhaupt die katastrophalen
Bedingungen, die Brutalität und den Sadismus der SS-Schergen und schon gar nicht die Massenexekutionen Ende Juli 1942 in den Kiesgruben von Minsk überlebten. Als Todesdatum für Clara und Paul Baumgarten gilt der 28.07.1942. Amtlich für tot erklärt wurden sie auf Beschluss des Amtsgerichts Bremen (Az. II. 1112-1803/48) am 18.09.1948: „Zeitpunkt des Todes:
28.05.1945“.