Bis zu ihrer Verheiratung mit Wilhelm Schäfer 1929 arbeitete Berta Klose (*17.03.1902 in Essen) als Telefonistin in Dortmund (Post und Hotelbetrieb). Als Ehepaar wohnten sie dann in Hiddesen/Krs. Lippe, und 1930 wurde Horst geboren. Ab 1932 war sie aktives Mitglied der KPD. Ein Jahr später kam sie in „Schutzhaft“ ins Gefängnis Detmold (25.04.1933-24.05.1933), da sie sich geweigert hatte, Adressen von Mitarbeitern der illegalen KPD zu verraten. Am 10. Mai 1934 wurde Ernstadolf geboren, und drei Wochen später musste sie für elf Tage wieder in „Schutzhaft“. Am 10. August wurde sie wieder verhaftet, diesmal wegen illegaler Tätigkeit (Verteilung von kommunistischen Zeitungen) und verbrachte für viereinhalb Monate zusammen mit ihrem Säugling in einer Gefängniszelle. Ende Dezember wurde ihr Ernstadolf dann weggenommen, und sie in ein Gefängnis in Bielefeld verlegt. Am 30. April 1935 erfolgte die Verurteilung wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 16 Monaten Gefängnis durch das Oberlandesgericht Hamm. Nach ihrer Entlassung übernahm sie 1937 die Vertretung der Firma Thylisia Reformwarenwerk Leipzig (Fachberaterin für Reformpflege; Mieder etc.). Als ihr Mann eine Anstellung als Kassen-Buchhalter bei der Kreissparkasse Verden erhielt, zog die Familie Anfang Oktober 1938 hierher in die Dienstwohnung Große Straße Nr. 62. 1942 wurde sie wieder verhaftet.
Große Straße 62
Berta Schäfer
„Natürlich fühlte ich mich nach Ausbruch des Krieges verpflichtet allen Kundinnen auf besondere Art dosiert, die Sinnlosigkeit des Krieges vor Augen zu halten. Habe auch verschiedene Frauen bei Besuchen in ihren Wohnungen unmerklich auf Sendungen des Auslandes aufmerksam gemacht. Der Erfolg — 1942 Anklage wegen Zersetzung der Widerstandskraft des Deutschen Volkes. Aus der Anklage war zu entnehmen, dass die polit. Überwachung 1940 aufgehört hatte.“
„An die Verhaftung meiner Mutter am 2. Oktober 1942 durch die Geheimpolizei knn ich mich noch gut erinnern. Das laute ´Aufmachen – Gestapo!´ hat sich tief eingegraben in mein Gedächtnis. Es sollte angeblich nur eine ´kurze Vernehmung´ werden. Nach Stunden schließlich forschte Vater nach. Wir Kinder hingen am Fenster und bangten. Als er wieder auftauchte und schon von weitem mit gekreuzten Handgelenken die Inhaftierung andeutete, war die Hoffnung passé. Am nächsten Tag lief ein etwas schlaksiger Junge mit seinem kleinen Bruder Hand in Hand durch die Stifthofstraße, vorbei an der Hinterfront des Gefängnisses. Sie riefen in mehr oder weniger melodischem Sprechgesang – Vaters Idee folgend – immer wieder ´Mami, Mami´. Diese erste ´Demonstration´ unseres Lebens hatte Erfolg: Aus einem der vergitterten Zellenfenster antwortete die Stimmer der Mutter und heftiges Winken.“
Vom Sondergericht Hannover wurde sie am 19.01.1943 zu fünf Jahre Zuchthaus und zehn Jahre Ehrverlust wegen „Gefährdung und Zersetzung der Widerstandskraft des Deutschen Volkes“ und „Rundfunkverbrechen“ verurteilt. Die Untersuchungshaft wurde ihr nicht angerechnet. „Die Angeklagte, die früher wegen kommunistischer Betätigung bestraft ist, hält nach wie vor verbohrt an ihrer kommunistischen Gesinnung fest und ist offenbar unverbesserlich. […] Bezeichnend ist auch die Einstellung der Angeklagten, wie sie aus einer anderen, von ihr nicht in Abrede genommenen Erklärung hervortritt, sie zöge ihre Kinder zum Denken und nicht zum Glauben, heutzutage werde die Jugend nur zum Glauben erzogen. Vermöge ihrer Intelligenz hat die Angeklagte die Gabe, mit ihren Vorstellungen und Gedanken auf andere geschickt und eindrucksvoll einzuwirken. Ihr zersetzendes Treiben ist daher besonders gefährlich. An Gefährlichkeit und Skrupellosigkeit kaum zu übertreffen sind ihre Äußerungen, sie könne Hitler umbringen, die großen Verluste schadeten gar nichts, dadurch käme das Volk vielleicht zum Bewusstsein, und den Krieg gewönnen wir nicht, so wahr sie hier stehe – obendrein zum Teil gegenüber einer Kriegerfrau geäußert, die durchaus von anderer Gesinnung beseelt war.“
Sie kam zunächst in das Lübecker Frauenzuchthaus und dann in ein Arbeitskommando. Am 30. März 1945 gelang ihr die Flucht aus dem Arbeitskommando. Bis zum 19. April versteckte sie sich mit ihrem Mann und den Kindern in der Nähe von Armsen.
„Abenteuerlust war sicher auch dabei, als wir uns abends aus der Wohnung schlichen. Ich zählte 14, mein Bruder 10 Jahre. Doch die Angst kam bald nach der Flucht: Da gab es Raketen, Bombenabwürfe, das Erdloch im Moor. Dann war unüberhörbar, dass unserer Familienversteck zwischen den Fronten von Naziwehrmacht und britischen Truppen lag. Das alles passierte in den 20 Tagen, nachdem mich am Ostersonntag 1945 ein langes Tuscheln im Flur geweckt hatte und ich zum Horcher an der Tür geworden war. Vater bestätigte die erregende Vermutung: Unsere Mutter war nach fast drei Jahren Haft wieder frei. Obwohl: Richtig frei war sie nicht, sondern nur wieder da, in unserer Kleinstadt nahe Bremen. In einer mutigen Flucht am Gründonnerstag aus dem Travelager in Schlutup, einem Außenlager des Frauenzuchthauses Lübeck-Lauerhof, hatte sie sich in drei Tagen – Feiertage und Kriegswirren nutzend – die 200 Kilometer bis Verden durchgeschlagen.“
Nach Kriegsende baute sie nach eigenen Angaben im Landkreis Verden die Antifa auf und gründete 1946 die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), als deren Kreisvorsitzende sie bis 1951 tätig war. Außerdem arbeitete sie ehrenamtlich als KZ-Betreuerin. Als KPD-Mitglied wurde sie Abgeordnete des Stader Bezirkslandtages (Gesundheitskommission), der Ende 1946 aufgelöst wurde. Vom 23.08.-29.10.1946 war sie Mitglied des ernannten Hannoverschen Landtages. Außerdem schloss sie sich der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft (DSF), einer Massenorganisation in der DDR, an. Und sie wurde Mitglied im Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD), der 1957 in der Bundesrepublik verboten wurde.
Im Jahre 1947 hatte sie den ehemaligen KZ-Häftling Hans-Philipp Behr (Jg. 1908) kennengelernt, der von 1947 bis 1949 eine Bürotätigkeit in Verden ausübte. Nach der Scheidung von Wilhelm Schäfer 1948 betrieb sie dann mit Hans-Philipp Behr zusammen weiter ihr Geschäft mit Thylisia-Trikotagen. 1951 heirateten sie und zogen nach Frankfurt/Main, wo Behr eine Arbeitsstelle bei der Zentrale der VVN erhielt. Die Dienstwohnung der Kreissparkasse Verden blieb aber erster Wohnsitz. Nach acht Monaten kehrte das Ehepaar wieder zurück nach Verden und konnte das Geschäft mit Thylisia-Trikotagen wieder aufnehmen, da die Firma in der Bundesrepublik neu gegründet wurde. 1956 verstarb ihr Mann mit nur 48 Jahren in Verden. 1976 zog sie von Verden nach Bremen, und siedelte dann im Juni desselben Jahres nach Ost-Berlin zu ihren beiden Söhnen über.
Beim Verdener Sonderhilfsausschuss hatte sie bereits 1946 Haftentschädigung beantragt, die ihr in Höhe von 7 350,00 DM (150,00 DM/Monat) bewilligt wurde, sowie eine Geschädigtenrente in Höhe von 120,00 DM. 1954 stellten sie einen Antrag auf Entschädigung an Gesundheit, Eigentum und beruflichem und wirtschaftlichem Fortkommen. Der Stader Regierungspräsident lehnt ein Jahr später den Antrag ab, mit der Begründung, sie sei Mitglied des Deutsch-Demokratischen Frauenbundes, des Zentralrats zum Schutz demokratischer Rechte und zur Verteidigung deutscher Patrioten und Mitglied der Verdener Gruppe der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft. Das Landgericht Stade verurteilte das Land Niedersachsen 1956 zu einer Kapitalentschädigung für die gesamte Haftzeit (5 Jahre und acht Monate) in Höhe von 2 754,00 DM. 1957 entschied das Oberlandesgericht Celle, dass sie nur noch Anspruch auf Entschädigung für Schaden im beruflichen Fortkommen hätte. Erst 1968 wurde ihre Klage abgewiesen!
- Auszug Lebenslauf Berta Schäfer, NLA HA, Nds. 720 Hannover, Acc. 2008/047 Nr. 1650
- Horst Schäfer: Befreiung im Moor
- NLA HA, Hann. 171 a Hannover, Acc. 107/83 Nr. 590 (Sondergericht Hannover)