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Ritterstraße 6

Adolf Wittig

Adolf Wittig (Jg. 1878), selbstständiger Zigarrenmacher, war verheiratet und hatte zum Zeitpunkt seiner Verhaftung fünf Kinder. Dem aktiven SPD-Mitglied wurde vorgeworfen, den verbotenen russischen Sender empfangen zu haben.

Am 7.01.1938 kam er, zusammen mit KPD-Mann Ernst Probst, ins Gefängnis. Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg wurden beide am 12.03.1938 von der Vorbereitung zum Hochverrat freigesprochen. Doch vier Tage später nahm die Gestapo beide in »Schutzhaft« und überführte sie am 9.04.1938 in das KZ Sachsenhausen.

Nach einem Jahr wurde er entlassen. 1943 wurde ihm seine Selbstständigkeit verboten; er fand aber eine Arbeit bei einer Verdener Tabakfirma. Nach Kriegsende machte er sich wieder selbstständig und wurde in den Verdener Entnazifizierungsausschuss berufen.

Adolf Wittig (*22.08.1878 in Verden) arbeitete als selbstständiger Zigarrenmacher in Verden, war verheiratet und hatte zum Zeitpunkt seiner Verhaftung  fünf Kinder. Er war aktives SPD-Mitglied und wurde 1938 vom Pferdeschlachter Walter denunziert. Da Wittig von 1901 bis 1902 in St. Petersburg in der Filiale der Leipziger Firma „Laferm“ gearbeitet hatte und Russisch konnte, wurde er beschuldigt, heimlich den verbotenen sowjetischen Sender empfangen zu haben. Er wurde, zusammen mit Ernst Probst (s. Stolperstein), am 7.01.38 durch die Gestapo festgenommen und im Landgerichtsgefängnis inhaftiert. Die Anklage erfolgte vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg. Ihnen wurde die Vorbereitung zum Hochverrat vorgeworfen. Wittigs Radio wurde beschlagnahmt. Allerdings war es mit einem Radio vom Typ „Volksempfänger“ überhaupt nicht möglich, ausländische Sender zu empfangen. Das Massenprodukt war absichtlich technisch so konstruiert worden, dass nur deutsche Sender empfangen werden konnten. Ein überzeugter Nazi, der Malermeister Röwer (Goldenes Parteiabzeichen), sagte überdies im Prozess aus, dass er Wittig keine derartige Straftat zutrauen würde. Am 12.03.38 wurden beide freigesprochen und am 28.03.38 entlassen. Doch die Freiheit währte nicht lange. Vier Tage später, am 1. April 1938, wurden Wittig und Probst erneut von der Gestapo verhaftet. Der Schutzhaftbefehl war bereits am 25.03.38 in Berlin vom Geheimen Staatspolizeiamt ausgestellt worden: „Auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. I S. 83) wird in Schutzhaft genommen Adolf Konrad Wilhelm Wittig… Gründe: Adolf Wittig ist mit Rücksicht auf sein bisheriges politisches Verhalten in Schutzhaft zu nehmen, da anzunehmen ist, dass er sich weiterhin staatsfeindlich betätigen würde. In Vertretung: gez. Dr. Best“.

Wittig und Probst wurden am 6. April 1938 in das Konzentrationslager Sachsenhausen überführt, wo am 09.04.38 ihre Einlieferung notiert wurde (Häftlingsnummer 001674, Häftlingsblock 42). Nach einem Jahr, am 20.04.39, wurde Wittig wieder nach Verden entlassen:

„Seine Führung war zufrieden stellend. Auflage: Sie haben sich bis auf Widerruf jeden 3. Werktag bei der Ortspolizeibehörde Ihres Wohnortes zu melden.“

Ernst Probst konnte erst ein Jahr später nach Verden zurückkehren.

Im Jahre 1943 wurde Wittig seine selbstständige Tätigkeit als Zigarrenmacher verboten. Er fand dann eine Arbeit bei der Verdener Tabakfirma Dittmer (Kleine Waldstr.), wo er bis Kriegsende arbeitete. Danach machte er sich wieder selbstständig.

Der Verdener Gestapobeamte Seling gab bei seinem Verhör nach dem Krieg an, dass sich die ehemaligen KZ-Insassen bei ihm melden mussten, von denen er erfahren hatte, dass ihnen bei ihrer Entlassung ein Schweigegebot auferlegt worden war. Wittig wurde in den Verdener Entnazifizierungsausschuss berufen. Nach Aussage seines Sohnes hat er aber niemanden wegen seiner NS-Vergangenheit denunziert. Zu ihm nach Hause in die Werkstatt kamen manchmal die ehemaligen „KZler“ Ernst Probst und der „Bibelforscher“ (Zeuge Jehovas) Fritz Krause aus Leipzig (der aber erst 1946 nach Verden zuzog) und unterhielten sich über ihre Haftzeit in Sachsenhausen. Adolf Wittig verstarb mit 75 Jahren bei einem Verkehrsunfall.

Quellen:

  • Privatarchiv Adolf Wittig jun.
  • Geschichtswerkstatt Verden (Hrsg.), bearb. von Sackmann, Dirk: „Ohne Schmuh ging es nicht“. Zur Geschichte der Verdener Tabakarbeiterschaft, Verden 1991, S. 46, 71, 91, 93
  • Niedersächsisches Landesarchiv, Staatsarchiv Stade, Rep. 86 Verden Nr. 17 (Gefangenenbuch Landgerichtsgefängnis Verden)
  • Gedenkstätte Sachsenhausen, Sign. D 1 A/1021, Bl. 196 (Provenienz des Originals: Russisches Staatliches Militärarchiv, Moskau)
  • Bundesarchiv Koblenz, Z 42, II/2241 (Spruchkammerverfahren gegen Heinrich Seling)
  • Staatsarchiv Freie und Hansestadt Hamburg, Hanseatisches Oberlandesgericht, Namenskartei, OJs 9/38.
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